Directors Lounge Screening
Bernd Lützeler – Noise and the Voice
Sonntag, 25 Mai 2025, 17 Uhr
Z-Bar
Bergstraße 2
10115 Berlin-Mitte
Das Rauschen und die Stimme
Bernd Lützeler ist ein engagiertes Mitglied der Berliner Filmszene. Er beschäftigt sich mit allen Formen des Experimentalfilms, mit Super-8, 16mm, 35mm und digitalem Video, und er ist aktives Mitglied bei LaborBerlin. Seine Filme thematisieren oft die Populär- und Alltagskultur Indiens.
Mumbai ist eine der wenigen Städte der Welt mit einer aufstrebenden kommerziellen Filmindustrie (daher der Spitzname Bollywood, der sich auf den alten Namen der Stadt, Bombay, bezieht). Bernd hat mehrere Jahre in Mumbai verbracht und besucht die Stadt noch immer regelmäßig und viele seiner Projekte sind dort vor Ort entstanden. Während seiner intensiven Zusammenarbeit mit analogen Kopierwerken und “Optical Effects” Veteranen hat er hautnah die rapiden Veränderungen durch die Digitalisierung der indischen Filmindustrie miterlebt. Zu sehen, wie reihenweise Menschen ihre Existenz verlieren in einem Land, das seiner Bevölkerung keinerlei soziales Netz bietet, hat auch seinen Blick auf die Entwicklungen im eigenen Land geschärft.
Die Arbeit mit analogem Film mag in ihrer Ästhetik oftmals nostalgisch wirken, nicht aber bei Bernd Lützeler. Auch wenn er mit Found Footage und sehr visuell orientierten Ideen arbeitet, thematisieren seine Filme eine sich schnell verändernde visuelle Kultur und die damit verbundenen sozialen Auswirkungen, sowohl in Indien als auch in Europa.
Fultu Faltu Filim ist ein Found-Footage-Film aus dem “Nichts”; ein entwickelter, unbelichteter Filmstreifen, mit den Auswirkungen von Zeit, Wetter und Lagerungsschäden unter tropischen Bedingungen in Mumbai, digital gerendert und auf analogen 35mm-Film ausbelichtet. Der Film kollabiert am Ende in einem digitalen Abgrund aus Magenta-Farben.
Vintage Wisdom from the Ether ist eine weitere hybride Produktion. Es handelt sich um Nachrichten aus dem weißem Rauschen eines analogen Fernsehers, die mit einer 16-mm-Kamera eingefangen und festgehalten wurden. So korrelieren verschiedene obsolete Medien miteinander und verweisen nicht nur auf das Verschwinden des Schmalfilms und der “Fernsehröhre”, einem Kathodenstrahl auf fluoreszenten Hintergrund, sondern auch auf die gegenstandslos gewordene traditionelle Fernsehübertragung, an deren Programmende früher weißes Rauschen einsetzte.
Batagur Baska zeigt eine andere Art von weißem Rauschen: Menschen, offensichtlich Touristen, agieren vor der Kamera, eingehüllt in weißem Nebel. Das Verhalten der Touristen, die oft mit ihrem Handy ins Leere zielen oder im Nebel posieren, wird immer mysteriöser, es wird immer fraglicher, ob es überhaupt etwas zu sehen gibt, außer weißem Nebel.
Ein Tonfilm „fokussiert“ sich auf den Ton statt auf das Bild. Es ist ein Found-Footage-Film, aus den Urlaubsaufnahmen einer Super-8 Homemovie-Rolle einer unbekannten West-Berliner Familie. Anscheinend war die Kamera kaputt: Alle Bilder sind unscharf. Im vom Künstler im Originalformat geschnittenen Film erklärt die (originale) Tonspur alles. Scharfe Bilder brauchen wir nicht zu sehen.
How to Build a House out of Wreckage and Rags ist ebenfalls ein Found-Footage-Film, dieses Mal mit Ursprung in Indien. Die Bilder zeigen indische Auswanderer, ein junges Ehepaar in den 60er Jahren in den Vereinigten Staaten, das seinen Weg des amerikanischen Traums auf Super-8 gefilmt und die Filmrollen dann an die Verwandten in Indien zurückgeschickt hatte. Den Bildern ihres bescheidenen, aber stolzen neuen Reichtums steht die Off-Stimme eines ganz anderen Films gegenüber: ein Propagandafilm einer amerikanischen christlichen Sekte, die das Elend der Unberührbaren und Kastenlosen in der indischen Metropole Kalkutta missbraucht, um die eigene missionarische Botschaft zu verbreiten. Im Widerspruch zwischen der Ton- und der Bildebene kommen Rassismen und ein globales Klassengefälle zum Ausdruck. Beiden Ebenen gemeinsam ist jedoch, die sich im Bildmedium klar ausdrückende Dominanz der amerikanischen Kultur.
„_galore“ ist ein früherer Film von Lützeler, der einen anderen Aspekt der Arbeit des Künstlers über Indien zeigt: Das Straßenbild einer jeden indischen Stadt wird – abgesehen von Menschenmassen und Fahrzeugen – vor allem von Waren dominiert. Der Basar dehnt sich in alle weite Teile der Stadt aus und beansprucht einen großen Teil des öffentlichen Raums. Die Kamera nähert sich in langsamer Stop-motion Fahrt den zumeist wohlgeordneten, aufgestellten Warenbergen, die den westlichen Betrachter nahezu überwältigen, während eine Lautsprecheransage vor Dieben warnt.
Zusätzlich zum Programm wird Bernd über sein laufendes Projekt „Strugglers“ sprechen und einige Ausschnitte zeigen. In diesem Projekt geht es um die tausenden „Struggling Actors“, junge Menschen, die aus ganz Indien nach Mumbai kommen, um ihr Glück in Bollywood zu versuchen. Trotz minimaler Erfolgschancen setzen viele von ihnen alles auf eine Karte. Angekommen in der Stadt ihrer Träume, wartet vor Ort bereits ein ganzer Wirtschaftzweig auf sie, der nur darauf ausgerichtet ist, sie mit leeren Versprechungen möglichst lange in prekären Verhältnissen zu halten…
Wir freuen uns darauf, dass Bernd Lützeler alle Filme im Originalformat präsentiert und für Fragen und Antworten zur Verfügung steht.
Kuratiert von Klaus W. Eisenlohr.
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